Auf den Busch geklopft {Holunderblütenmuffins}
Gibt es eigentlich einen Fachbegriff dafür, wenn man chronisch dazu neigt, zu viele Dinge in zu kurzer Zeit erledigen zu wollen? Das Den-Tag-zu-vollpack-Syndrom? Die Alles-machen-wolleritis? Oder ist es schlicht und einfach die gemeine Vergnügungssucht? Vielleicht kennt das ja der eine oder die andere. Es kann nahe Angehörige schier in den Wahnsinn treiben – vor allem, wenn sie so gepolt sind, dass sie immer möglichst wenige Aktivitäten planen und dabei alles auch noch mit großem Zeitpuffer. Ja, genau der Zeitpuffer, in dem die erste Kategorie Mensch noch schnell drei andere Sachen erledigen will. Wie alles im Leben hat die Alles-machen-wolleritis Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist, dass man viel mehr schafft und auch viel mehr erlebt als andere überhaupt auch nur in Erwägung ziehen. Derr Nachteil ist, dass man manchmal in arge Zeitnot kommt. Vieles auf den letzten Drücker erledigt.
So war es letztens auch bei meinem Holunderprojekt.
Ich liebe jahreszeitenspezifische Dinge (und bin da auch ziemlich kategorisch, was den richtigen Zeitpunkt betrifft. Spekulatius im September gehen zum Beispiel GAR nicht). Eier färben zu Ostern, Erdbeeren pflücken im Frühsommer, Kürbissuppe im Herbst, Weihnachtstraditionen im Advent und zur Weihnachtszeit. Die Feste feiern, wie sie fallen. Dazu gehört auch, das zu nutzen, was die Natur gerade bietet. Und dieses Jahr war ich ein wenig im Holunderblütenwahn.
Sobald die ersten zarten weißen Blüten zum Vorschein kamen, setzten sich Rezeptideen bei mir im Kopf fest. Soooo viele Dinge wollte ich aus Holunderblüten backen, kochen, abseihen, frittieren.
Doch irgendwie kamen dann immer andere Dinge dazwischen. Zugegebenermaßen wichtigere Dinge. Dinge, die man einfach erledigen muss. Aber auch anderer Projekte. Und so fuhr ich Tag für Tag an Dutzenden blühender Holunderbüsche vorbei, die mir leise zuriefen „Nimm ein paar Blüten mit… Soooo lecker als Holunderblütensirup für Hugo“. Aber nie hatte ich Zeit, die Blüten hinterher noch zu verarbeiten. Und mit jedem Tag sah ich mehr Blüten verwelken. Irgendwann war Eile geboten. Ein paar letzte Holunderbüsche blühten noch, also schnappte ich mir auf dem Nachhauseweg kurzerhand das Multitool, das zum Glück immer in meinem Handschuhfach liegt, hielt an einem Holundergebüsch und wollte zur Tat schreiten. Ein Blick in das nahegelegene Weizenfeld ließ mich allerdings schleunigst von meinem Vorhaben Abstand nehmen: Nur wenige Meter weiter watete ein finster blickender Mann durch das Korn, eine Kettensäge über den Kopf erhoben. Warum? Das hätte mich durchaus interessiert, aber ich wollte mein Glück nicht herausfordern. Also eine andere Stelle gesucht. Aus der Nähe doch verblühter als gedacht. Nicht lecker. Weitergefahren. Nächste Stelle. Aus der Nähe betrachtet nicht erreichbar – komisch, sah von der Straße aus viel einfacher aus. Also der letzte Versuch. Mist. Fieseste Brennesseln versperren den Weg. Frau hatte Hose an. Aber: Ha! Frau war vorbereitet. Frau hatte Hunter Boots im Kofferraum! Das pure Holunderglück.
Angesichts der doch eher beschränkten Haltbarkeit der zarten Blütchen Schnitt ich nur so viele ab, dass es für zwei ganz einfache Rezepte reichte – die restlichen Ideen musste ich schweren Herzens auf die nächste Holundersaison verschieben.
Für’s erste gab es Holunderblütenmuffins. Kinderleicht und – wie mein Freund W. sagen würde – hopseschnell gemacht.
Bei der Verwendung von Holunderblüten ist ganz wichtig, dass diese NICHT gewaschen werden. Sonst geht nämlich ein Großteil des Geschmacks verloren. Aus demselben Grund sollte man auch darauf achten, dass es vorher längere Zeit nicht geregnet hat. Ich weiß, das ist manchmal nicht möglich; dann nehmt am besten diejenigen Dolden, die etwas versteckter hängen. Angeblich sind die Blüten am späten Vormittag am aromatischsten – das habe ich aber noch nicht überprüft 😉 .
Ach ja, und da man die Blüten ja vor der Verwendung nicht wäscht, bietet es sich an, sich solche zu suchen, die nicht gerade direkt an einer Hauptverkehrsstraße stehen.
Jetzt aber zum Rezept.
Für ca. 18 Muffins braucht Ihr:
125 ml Milch
ca. 10 Holunderblütendolden und ggf. zusätzlich einige zum Dekorieren
250g weiche Butter
250 g Zucker
2 Päckchen Vanillezucker (oder natürlich echte Vanille)
die abgeriebene Schale einer halben Orange
4 Eier
350 g Mehl
50g Speisestärke
3 El Backpulver
Zucker zum Bestreuen
Und so geht’s:
Die Milch aufkochen und vier bis fünf (je nach Größe) zerpflückte Holunderblüten damit übergießen. Mindestens zwei Stunden ziehen lassen. Gerne auch länger (umso intensiver wird der Holundergeschmack). Die Milch danach durch ein feines Sieb gießen.
Die Butter mit dem Zucker, dem Vanillezucker und der abgeriebenen Orangenschale schaumig schlagen. Die Eier einzeln unterrühren.
Das Mehl mit der Speisestärke und dem Backpulver vermengen und nach und nach unterrühren.
Die Holundermilch unter Rühren hinzufügen.
Die kleinen Blüten von den restlichen Holunderdolden pflücken und vorsichtig unter den Teig heben.
Ein Muffinblech mit Papierförmchen bestücken, den Teig einfüllen und den Teig einfüllen.
Im vorgeheizten Backofen bei 200 Grad Celsius etwa 15-20 Minuten backen (eher 20 als 15 – je nach Ofen).
Die noch warmen Muffins mit Zucker bestreuen (ggf. Ein klitzekleines bisschen Butter darauf schmelzen lassen, dann klebt der Zucker besser) und nach dem Abkühlen mit Holunderblüten dekorieren.
Alternativ: Die Muffins abkühlen lassen, jeweils einen dekorativen Klecks steifgeschlagene Sahne daraufgeben und dann mit einer kleinen Holunderblüte versehen.
Die Muffins am besten noch am selbsen Tag essen – dann schmecken sie wunderbar zart nach Holunder und ansonsten süß, lecker und luftig.
Liebe Grüße aus dem Holunderbusch,
Kathrin