Wo Werra sich und Fulda küssen…
Letzten Freitag, als (gefühlt) ALLE anderen den Brückentag freigenommen haben, hatte ich beruflich in Göttingen zu tun und danach noch ein bisschen Zeit. So richtig in die Stadt fahren wollte ich nicht, weil das immer so lange aufhält, aber stattdessen habe ich beschlossen, mich auf der Rückfahrt einfach mal von diesen braunen Sehenswürdigkeits-Hinweisschildern auf der Autobahn inspirieren zu lassen und mir mal was anzugucken, was ich noch nie gesehen habe.
Bin ich eigentlich bundesweit die Erste, die das tut? Ich finde diese Schilder so unhübsch und unattraktiv designt, dass ich mir nur schwer vorstellen kann, dass sich jemand allen Ernstes allein aufgrund dieser Schilder überlegt, doch mal Kloster X oder die Gesundheitstherme Y zu besuchen. Wahrscheinlich sind die sowieso nur dazu da, damit sich die jeweiligen Bürgermeister freuen, dass ihre Stadt an einer Autobahn erwähnt ist… Oder so. Naja, letzten Freitag hat sich die Investition gelohnt, liebes Bundesfernstraßenamt (oder wer auch immer dafür zuständig ist) und ich habe mich tatsächlich davon lenken und leiten lassen.
Eigentlich dachte ich daran, an eine Burg oder sowas in der Art zu besichtigen, aber dann sah ich das Schild mit der Aufschrift „Historische Altstadt Hannoversch Münden“. Gut. War ich noch nie, wollte ich zwar auch noch nie hin, aber warum nicht? Also kurzerhand von der Autobahn abgefahren, festgestellt, dass Hannoversch Münden noch 10 km entfernt ist, aber dann durch so eine traumhaft schöne, saftig gründe Frühlingslandschaft an einem Fluss entlang gefahren, dass ich gleich wusste, es hat sich gelohnt.
Das Ortsschild mutete etwas komisch an; allein „Hann. Münden“ steht dort. Fand ich seltsam, wenn man nicht mal DORT den Stadtnamen korrekt ausschreibt. Haben die restlichen Buchstaben Aufpreis gekostet? Schämt man sich für seinen Namen? Ein Mysterium.
Die Innenstadt selbst hat mich dafür wirklich begeistert! Unglaublich viele tolle alte Villen auf dem Weg zu Altstadt. Ich liebe (gut erhaltene oder sanierte) Altbauten und wäre am liebsten sofort eingezogen:
Die Altstadt selbst ist quasi ein bewohntes Freilichtmuseum: Unglaublich viele tolle uralte Fachwerkhäuser, jedes in einer anderen Farbe, viele davon krumm und schief und allein dadurch absolut liebenswert:
Diese Tüüüüüren! Ich bin verliebt <3 !
Wären nicht Heerscharen von Touristen unterwegs gewesen und wäre nicht die Fußgängerzone durchaus mit den gängigen Einzelhandelsläden bestückt gewesen, hätte ich fast den Eindruck gehabt, in eine Zeitmaschine geraten zu sein…
Wenn’s mal schnell gehen muss ;-): Eilbesohlung.
Das Rathaus im Stil der Weserrenaissance:
Okay, an der Zeitungsauswahl sieht man dann, dass die Zeitmaschine einen doch nicht so weit zurückgeschickt haben kann – obwohl man dann doch wieder ins Zweifeln gerät: Wo bitteschön braucht man noch Telefonkarten??? Ich glaube, die Maschine war auf 1995 eingestellt…
Oder doch ein paar hundert Jahre weiter zurück?
Bei dem folgenden Spruch habe ich etwas länger gebraucht, werde ihn mir aber zu Herzen nehmen…
Nun war ich ja völlig unvorbereitet in Hannoversch Münden – wenn ich mal ganz ehrlich bin, wusste ich zwar rein von der Landkarte her, wo ich war (zumindest wusste ich, wo ich von der Autobahn abgefahren war), aber im Kern war mir Null Komma Null klar, wohin es mich verschlagen hatte. Ich sah daher zwar einen hübschen Fluss, ohne jedoch zu ahnen, dass es sich hierbei um eine bedeutsame Stelle handelte, die ich schon zigmal als Gedicht aufgesagt hatte…
Irgendwo hatte ich was von Werra aufgeschnappt und erzählte dann halt abends zu Hause Herrn Wunderbar davon. Und als er dann sagt: „Ach, stimmt, das ist doch in Hannoversch Münden, wo Fulda und Werra zusammenfließen!“, da kam ich mir ganz schön blöd vor…
Schließlich gelte ich in meinem Bekanntenkreis doch als die Hüterin des unnützen Wissens 😉 . Ich kann auch nichts dafür – mein Gehirn merkt sich von selbst halt alle möglichen Kleinigkeiten, die eigentlich keinen (oder 95 Prozent nicht) interessieren. Wichtige Informationen aus dem TKKG-Schülerkalender von 1990, Telefonnummern meiner Grundschulfreundinnen, genaue Wortlaute von Unterhaltungen – gestern wusste ich sogar noch, von wem meine Mutter vor zig Jahren mal die Stoffservietten geschenkt bekommen hatte, die wir gestern auf dem Tisch liegen hatten (obwohl mich das überhaupt nicht betraf). Also lauter nützliche Sachen 🙂 .Dafür vergesse ich dann eben wichtigere Sachen 😉 . Aber glücklicherweise nicht viele. Ich merke mir eigentlich alles ganz gut. Am „schlimmsten“ ist es, sobald sich etwas reimt oder vertont ist – Lieder, Gedichte. Einmal hören und ZACK. Festgebrannt. Hat aber auch Vorteile. Man könnte mich zum Beispiel mitten in der Nacht wecken und sagen:
„Wo Werra sich und Fulda küssen…“
und ich würde vervollständigen:
„… und ihren Namen büßen müssen,
da entsteht durch diesen Kuss
der Weserfluss“
(Freitagabend habe ich dank Wikipedia gelernt, dass es eigentlich heißt: „…da entsteht durch diesen Kuss deutsch bis zum Meer der Weserfluss“. Aber das wusste ich bislang nicht und ehrlich gesagt hört sich das so deutschnational an, dass ich auch in Zukunft um 3.00 Uhr nachts auf diesen Zusatz verzichten werde.)
Um so schockierender fand ich es, dass ich GENAU DA war und es nicht mal mitbekommen habe. Skandal!
Dadurch habe ich natürlich auch nicht den sagenumwobenen Weserstein gesehen, auf dem der Weserspruch steht. Ich glaube, es hilft alles nicht: Ich muss noch mal hin.
Wie ich natürlich wusste abends durch Wikipedia erfahren habe, handelt es sich oben um die Tillyschanze und unten um das Welfenschloss, in dem heute unter anderem das Amtsgericht untergebracht ist. Schick, ne? Würde mir als Dienstsitz wohl auch gefallen. Hier noch mal die Tillyschanze, die 1881 bis 1885 als Erinnerung an die Belagerung Hannoversch Mündens durch den Feldherrn Tilly (wer auch immer das war?!) im Jahr 1626 errichte wurde und im Prinzip einfach ein besonders gut zur historischen Altstadt passender Aussichtsturm ist.
Das fand ich übrigens eine echt schöne Idee – auch im innerstädtischen Bereich die Parks nicht immer nur ordentlich mit Blumenrabatten samt Stiefmütterchen und Heidekraut anzulegen, sondern die Natur einfach machen zu lassen. Finde ich viel schöner, kreativer, natürlicher, romantischer, ursprünglicher, verspielter, sommerlicher, netter. Gut gemacht, Hannoversch Münden.
Schön, oder? Wenn Ihr jetzt noch nicht den absoluten Fachwerk-Overkill habt, fahrt doch mal hin! Nach Hann. Münden… Ich „muss“ ja auf jeden Fall noch mal hin. Wegen der Weser und so…
Liebe Grüße,
Kathrin
4 Kommentare
Rike
Ich mag die braun-weißen Hinweisschilder und finde sie optisch auch gar nicht so schlimm. Sie sind zwar schlicht, aber für mich haben sie einen recht hohen Wiedererkennungswert und ich lese mir jedes Schild, das ich sehe, sofort durch. Dadurch haben wir während einer Autofahrt auch schon hier und da mal etwas besichtigt, an dem wir sonst vorbeigefahren wären. Liegt vielleicht auch daran, dass das Ruhrgebiet mit den gleichfarbigen Schildern zur „Route Industriekultur“ vollgekleistert ist und sie mir dort immer besonders aufgefallen sind.
Aber noch schöner als die braun-weißen Schilder ( 😉 ) sind Deine Fotos aus Hann. Münden – insbesondere die Fachwerkhäuser. Je krummer und schiefer, desto besser. (:
Kathrin
Oh, gut, dann bin ich ja nicht ganz alleine als Schilder-Inspirierte 😉 . Ich werde das auch auf jeden Fall demnächst noch mal machen, wenn ich Zeit habe. In diesem Fall hat es sich nämlich echt gelohnt.
Merlindora
Das sind ganz tolle Fotos geworden, das Städtchen ist echt total süß.
Kathrin
Danke! Und danke, dass Du hier einen Kommentar gepostet hast – dann merkt man immer, dass es überhaupt jemand liest 😉